Suche:
News

14.08.2020

Wegerich


Wegerich


Wegerich-Arten sind als „Beherrscher der Wege“ (Ursprung aus dem germanischen: Rik = König) bekannt. Die Indianer bezeichnen ihn als „Englishmens footstep“, da er sich mit den weißen Siedlern in Nordamerika ausbreitete. Im 18. Jahrhundert bezeichnete ihn der Naturforscher Don Felix Azara als „Fußtritte der Bleichgesichter“. Wegerich kann sich überall verbreiten, weil Samen bei Feuchtigkeit aufquellen und sich mit einer klebrigen Schleimschicht umhüllen. So klebten sie an den Hosenbeinen der europäischen Auswanderer und schafften den Weg über das Meer.


Die Wegerich-Arten gehören zur Trittflora: Sie wachsen am Wegesrand, ohne Schaden zu nehmen.

 

Dies fasste Friedrich Rückert (1788–1866) in dichterische Worte:

 

„Ich armes Kraut am Weg
Ich steh hier ungebeten,
muss auf mich lassen treten
wer Lust hat, flink und träg“


Die einen treten ihn mit Füßen, die anderen nutzen ihn als Orakelpflanze: Ein Blatt quer Durchreißen beantwortet anhand der herausstehenden Blattadern: Wie viele andere Frauen hat mein Schatz schon geküsst? Wie oft hat mein Kind schon gelogen an diesem Tag?
Ziehen zwei Leute das Blatt gleichzeitig auseinander hat der, an dessen Wegerich-Blatthälfte mehr bzw. längere Fäden herausragen, mehr Glück.

 

 

Breitwegerich Plantago major

Planta steht im Lateinischen für die Fußsohle und meint die Form der Blätter; major kommt ebenfalls aus dem Lateinischen und wurde abgeleitet von magnus –> größer – ein weiterer Hinweis auf die Blätter.

 


Verwendung
Gequetschte Blätter in Wasser gekocht oder einfach nur gekaut können bei Neurodermitis, auf schlecht heilenden Wunden oder Insektenstichen oder nach Kontakten mit Brennnesseln auf die betroffenen Stellen aufgebracht werden. Schon Plinius (23–79 n. Chr.) empfahl den Wegereich als Behandlung von Tierbissen.
Der arabische Arzt Avicenna (980–1037) beobachtete, wie eine Schlange von einer Kutsche überfahren wurde. Die Schlange kroch los, suchte sich Wegerich, durchkaute diesen und legte den Brei auf die Wunde. Die eigentlich dem Tod geweihte Schlange wurde gesund!

 

 

Spitzwegerich Plantago lanceolata

Auch hier weist der wissenschaftliche Name auf die Blattform hin: lanceolata steht für lanzettförmig. Die längsadrigen Blätter bilden eine Rosette, aus der immer wieder neue Blätter wachsen können. Der Blütenstängel ist lang, er überragt die Blätter deutlich, und bildet eine eiförmige Blütenähre.

 


Verwendung (der Spitzwegerich gilt als der wirksamste unter den Wegerich-Arten):
Tee aus Samen: gegen Durchfall / Ruhr
Tee aus Blättern (kalt ansetzen!; ansonsten nutzt man heute den aus den Blättern gepressten Saft): bei Magenbeschwerden oder Husten, Keuchhusten (allgemein Atemwegserkrankungen) – hier wird vor allem auf die „einhüllende“ Wirkung der Schleimstoffe gesetzt. Das Abhusten wird erleichtert.
Die adstringierende (= zusammenziehende) Wirkung der Gerbstoffe sorgt für das Schließen der Wundränder. Außerdem enthält Spitzwegerich das antibakteriell wirkende Aucubin und wirkt dadurch entzündungshemmend.
In Frankreich und Bosnien wurde Spitzwegerich bei Männerleiden und Breitwegerich bei Frauenleiden empfohlen. Die Herleitung dazu darf jeder selber überlegen… 

 

 

Krähenfußwegerich Planatgo coronpus

Ähnelt mickrigem Spitzwegerich, hat aber geschlitzte, am Rand behaarte Blätter, die an Krähenfüße erinnern. Frisch zerdrückte Blätter wurden im Mittelalter als Wundverband genutzt.

 


Krähenfußwegerich, hier oben auch Solt-Wegbladd genannt, ist in der oberen Salzwiese zu finden.

 

 

Meerstrandwegerich Plantago maritima
Auch der Meerstrandwegerich ähnelt dem Spitzwegerich, hat aber deutlich dickfleischigere Blätter und längere Blütenstände. Der Blütenstand blüht von unten nach oben auf, wobei jeder Blütenkranz zunächst das weibliche Stadium durchmacht. Es schauen erst die weilblichen Narben heraus, bevor die männlichen gelben Staubblätter sichtbar werden. Das Aussehen der Blütenstände brachte ihm den Namen Röttstert (-Wegbladd) = Rattenschwänzchen ein.
Der Meerstrandwegerich braucht zwar ein bisschen Salz für seinen Stoffwechsel, daher wächst er gern in der Salzwiese. Doch die regelmäßigen Überflutungen mit Nordseewasser bringen zu viel Salz – dagegen hat er einige Tricks. Zum Einen hat er dickfleischige Blätter, um gegen Trockenheit gewappnet zu sein. Des Weiteren sammelt er den Zucker Sorbitol als Ausgleichsosmotikum zur Reglung des Wasserhaushaltes im Zellsaft – und wenn gar nichts mehr gegen das Salz hilft, lagert er es in die ältesten, untersten Blätter ein („Salzmülleimer“), die abgeworfen werden, wenn sie „vor Salz abgestorben“ sind.

 


Verwendung
Der Meerstrandwegerich wurde bereits von den alten Ägyptern zur Sodagewinnung benutzt.
Auf den nordfriesischen Halligen werden die Blätter als „Suden“ wie spinatähnliches Gemüse zubereitet. Dieses Wildgemüse ist reich an Vitamin A. Das brachte den Halligbewohnern auf dem Festland den Spottnamen „Sudenbieter“ ein. Mundartlich bedeutet Sudde = Sumpf, Morast (quasi die Salzwiese bei Überschwemmung).

Dieser angeknabberte Meerstrandwegerich ist aber nicht den menschlichen „Sudenbietern“ zum Opfer gefallen, sondern den Ringelgänsen. Meerstrandwegerich ist ihre Lieblingsspeise und sie betrieben Weidewirtschaft, um möglichst viel von ihm zu haben: Sie fressen nur alle vier Tage an der selben Stelle der Salzwiese, dann nur das obere 1/3 der Blätter – wenn sie nach vier Tagen wieder kommen, ist das Blatt frisch nachgewachsen.
Es gibt noch viele kleine Tiere, die auf den Meerstrandwegerich stehen: Der Meerstrandwegerich ist die Insekten-WG auf der Salzwiese und bietet dort unter den Pflanzen die meisten Appartements: vier Blattkäferarten (meist auf der Pflanze), fünf Rüsselkäferarten (meist in der Pflanze), drei Schmetterlingsarten, dazu etliche Fliegen - rund 20 Insektenarten sind im Laufe ihres Lebens auf den Meerstrandwegerich angewiesen. Die zwangsweise Ernährung an anderen Pflanzen führt bei diesen Insekten zu Sterilität!

 


Einer von ihnen ist der Meerstrandwegerichrüsselkäfer (Mecinus collaris). Man entdeckt ihn nur indirekt – er steckt in der Galle, die sich unter dem Blütenstand des Meerstrandwegerichs entwickelt. Dorthinein wird im Mai das Ei abgelegt, aus dem eine Larve schlüpft. Die Pflanze reagiert mit Verdickung ihres Gewebes an dieser Stelle (Galle), um den Eindringling für sich unschädlich zu machen. Die Galle wächst schnell genug, damit die Käferlarve im Inneren ausreichend Futter hat, ohne zerquetscht zu werden. Im August vertrocknen die Stängel, der junge Käfer schlüpft aus seiner Puppe. Sobald die Mundwerkzeuge hart sind, nagt er ein Schlupfloch in die Galle und sucht sich draußen ein Winterversteck. Meerstrandwegerichrüsselkäfer sind nur dort anzutreffen, wo Salzwiesen nicht beweidet werden!

 

 

 

Also Augen auf beim nächsten Spaziergang – auch die unscheinbaren, von unseren Füßen gekuschelten Pflanzen haben eine wichtige Funktion…


Wir wünschen einen schönen, grünen, sonnigen Spaziergang!
Das Nationalpark-Haus Team


 

 

 


Autor: Sabine Hinrichs
Fotos: Karen Kammer
Quelle: Karen Kammer, Nationalpark-Haus Baltrum


Baltrum-Online.de ist ein werbefreies und unabhängiges Angebot. Wir berichten ehrenamtlich und frei über die Insel Baltrum und stehen in keinerlei Verbindung zur Gemeinde Baltrum.

Breitwegerich Spitzwegerich Krähenfußwegerich Meerstrandwegerich Meerstrandwegerich

Weitere News

5.11.2025

Nächste Ratssitzung am 13.11.25

Donnerstag, 13.11. um 20 Uhr im Rathaus...

5.11.2025

Media-Training in der Inselschule

Weißt du, wie gefährlich digitale Medien sein können? ...

5.11.2025

Offene Türchen im Advent 2025

Es sind noch Termine frei!...

4.11.2025

Champions League in der SchirmSeaBar

Champions League in der SchirmSeaBar Dienstag und Mittwoch...

4.11.2025

4 Inselwitz-Cartoons beim Dt. Karikaturenpreis

Baltrumer Cartoons schaffen es zur Ausstellung beim Deutschen Karikaturenpreis....

1.11.2025

Fußball-Total in der SchirmSeaBar

Nachmittags und am Abend: Bundesliga!...

31.10.2025

Noch ein Saisonausklang

De Fleitjes van Baltrum mit ihrem Jubiläumsprogramm 2.0...

30.10.2025

Baltrum sturmzerzaust

Joshua hatte es in sich... die Hochwasser waren zwar nicht dramatisch hoch, aber an der neuen Schwac...

30.10.2025

Letzte Wattwanderung

Große Wattwanderung am 31. Oktober ist die letzte der Saison...

27.10.2025

Neue Männer gesucht!

ShantyChor startet am kommenden Wochende mit Workshop in die Probenzeit...

27.10.2025

Diese Woche in der ev. Kirche

Andachten, Förderkreis, Fleitjes, Reformationstag... + Musikbegleitung gesucht!...

26.10.2025

Nochmal mit Musik

Nipptied im Nationalpark-Haus...

26.10.2025

Geänderte Abfahrten der B.-L.

Die Abfahrten um 11:45 Uhr ab Neßmersiel und um 14:30 Uhr ab Baltrum entfallen....

25.10.2025

Sonntag nochmal Nipptied

Gute-Laune-Musik im Nationalpark-Haus Das Trio Nipptied verabschiedet die Saison am Sonntagnachm...

24.10.2025

Sparwoche

Die Volksbank gibt bekannt: Auch in diesem Jahr findet wieder die beliebte Sparwoche der RVB Fre...

24.10.2025

Für die Gestrandeten

Das Nationalpark-Haus hatte über Mittag auf...

23.10.2025

Tante Wandas letzte Auferstehung

Toller Saisonabschluss für die Inselbühne...

22.10.2025

Baumhäuschen im Birkenwäldchen

Ganz aus dem Häuschen - Peter Puls...

21.10.2025

Veranstaltungstipps

Die Gemeinde Baltrum empfiehlt...

21.10.2025

Tante Wanda am Mittwoch

22.10.2025 um 20.30 Uhr im HdG, Karten in der Schatzinsel...

19.10.2025

Wieder offene Scheibe

Opel auf dem Parkplatz am Hafen Neßmersiel...

19.10.2025

ZVT III.

Erlbenisbericht von Karen Kammer, Teil II. Am Miwwoch, dem 15. Oktober 2025 trafen sich 20 Kinde...

18.10.2025

Schöner Saisonschluss

Letzte Aufführung für dieses Jahr von Auf hoher See...

18.10.2025

Sehen in der SchirmSeaBar

Nachmittagsspiele + am Abend: FC Bayern München gegen Borussia Dortmund...

17.10.2025

TenneT Bau-Update

Status der Bohrungen, Baustellen, Rohrfertigung + Video...


Alle Artikel des Jahres

Inselrundgang

Archiv


Volltextsuche:

Alle News der letzten 25 Jahre im Archiv:

2025
2024
2023
2022
2021
2020
2019
2018
2017
2016
2015
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001



8272 Artikel online verfügbar