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Seepferdchen
Seepferdchen
Erfreulicherweise sind in den letzten Tagen am Wangerooger, heute nun auch am Baltrumer Strand junge Seepferdchen gefunden worden. Leider tot, aber die Funde machen Hoffnung: Es gibt sie noch!
Der Name ist Programm: Der Kopf ist abgewinkelt und erinnert vom Aussehen her an ein Pferd. Die Schnauze ist pipettenförmig ausgezogen, das kleine Maul ist oberständig. Damit werden kleine Beutetiere (Plankton) eingesaugt.
Man sieht es ihnen nicht an, aber Seepferdchen gehören zu den Fischen:
Die Seitenflossen sind hoch an den Kopf gewandert, die Rückenflosse recht klein geraten. Die normalerweise bei Fischen antriebgebende Schwanzflosse ist zu einem biegsamen Greifschwanz umgewandelt, mit dem sie sich in Seegras oder Tang festhalten. Wechseln sie doch einem den Standort, schwimmen sie aufrecht, d.h. die Körperachse steht senkrecht. Sie haben es 2009 mit der sagenhaften Geschwindigkeit von 0,016 Stundenkilometern als der langsamst schwimmende Fisch überhaupt in das Guinnessbuch der Weltrekorde geschafft.
Die Fortpflanzung der Seepferdchen ist für uns Frauen beneidenswert: Hier kriegen die Männer die Kinder! Die Hochzeit ist wild-romantisch, die Partner umwerben sich tanzend, mit leise klickenden Lauten. Sie schließen eine monogame Dauerehe, die allmorgendlich mit einem Tanzritual mit eng umeinander verschlungener Schwanzspitzen gepflegt wird. Zur Paarungszeit lässt das Männchen die Bruttasche an- und abschwellen (Balzpumpen), um das Weibchen beim Balzritual zu stimulieren (da kriegt so manch Bierbauch gleich eine andere Bedeutung!). Schließlich legt das Weibchen die bis zu mehreren hundert Eier, die mit einem Dottervorrat versehen sind, in die Bruttasche des Männchens. Dort drin findet die Befruchtung statt, der Nachwuchs entwickelt sich – die Versorgung mit Nährstoffen wird von einer Schleimhaut gesichert, die jedes Ei umwächst. Nach rund vier Wochen werden die ca. 15 Millimeter kleinen Seepferdchen aus einer winzigen Pore aus der Bruttasche herausgepresst. Es scheint fast so, als habe der Seepferdchen-Mann dabei Wehen. Damit ist aber auch genug der Kinderpflege, die kleinen Seepferdchen sind von Anfang an auf sich allein gestellt! Je nach Art sind sie mit sechs bis zwölf Monaten fortpflanzungsfähig, unsere werden ca. 15 Zentimeter groß; ihre Lebenserwartung beträgt bis zu vier Jahre.
Im Wattenmeer in der Nordsee kommen sogar zwei verschiedene Seepferdchen-Arten vor: Das Langschnauzige und das Kurzschnauzige Seepferdchen.
Das Langschnauzige (oder -schnäuzige) Seepferdchen (Hippocampus ramulosus) – wen wundert's – hat eine lange, gerade Schnauze, die mehr ein Drittel des Kopfes ausmacht. An Kopf und Körper sind meistens lange, fadenförmig ausgezogene Hauttentakel, die Farbe des Tieres ist gelblich-grün bis braun. Recht häufig an Küsten Großbritanniens und Hollands; im Nordostatlantik von den Britischen Inseln bis Marokko verbreitet.
(Foto 2005 im Multimar Wattforum)
Das Kurzschnauzige (bzw. Kurzschnäuzige) Seepferdchen (Hippocampus hippocampus) hat eine kurze, leicht aufwärts gebogene Schnauze – die Länge der Schnauze macht weniger als ein Drittel des Kopfes aus. Meist ohne Hautlappen. Farbe schwarz-braun. Diese Art ist auch in der südwestlichen Nordsee zu finden; Verbreitung im Nordatlantik vom Wattenmeer bis Nordafrika.
(Foto 2005 im Multimar Wattforum)
Früher gab es Seepferdchen im Wattenmeer häufiger. Da sie auf das Seegras angewiesen sind, wurden ihnen mehrere Umstände zum Verhängnis: Früher gewann man das Seegras, trocknete es und nutze es als Matratzenfüllung. Dann kam 1930 eine Pilzerkrankung aus Amerika zu uns herüber, die das Seegras zusätzlich großflächig absterben ließ. Damit fehlte den Seepferchen ihr Lebensanker. Außerdem landen sie des Öfteren im Beifang der Fischerei – obwohl sie Meister der Tarnung sind. So kommt es, dass ihr Bestand in den letzten Jahren über 30 Prozent gesunken ist.
Aufgrund der sagenhaften Gestalt und des außergewöhnlichen Lebens beschäftigen die Seepferdchen uns Menschen schon lange. Griechische Fischer glaubten einst, die Seepferchen seien die Nachfahren der Pferde, die den Wagen des Meeresgottes Poseidon zogen. Bei Matrosen gelten die „Ringelnass“ als Glücksbringer (siehe auch Gedicht „Seepferdchen“ von Joachim Ringelnatz!). Als Kind machen wir Bekanntschaft mit dem nassen Element – das Frühschwimmerabzeichen ist das Seepferdchen. Später erkennen wir sie im Springer des Schachspiels wieder.
Diese Faszination ist zugleich ihr Verhängnis – in Asien gelten sie als Heilmittel (potenzanregend, da die Männer die Kinder kriegen), also werden sie gefischt, getrocknet und ihr Pulver verabreicht.
Von 34 Seepferdchen-Arten befinden sich 32 Arten auf der Roten Liste bedrohter Tierarten. Drücken wir die Daumen, dass sich unsere Seepferdchen wieder im Wattenmeer etablieren können und tragen dazu bei, indem wir ihren (und unseren!) Lebensraum schützen.
Ein schönes Wochenende wünscht das Nationalpark-Haus Team
Autor: Karen Kammer, Nationalpark-Haus Baltrum
Fotos: Karen Kammer (2005)
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