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11.09.2019
Immissionsoptimierte Nordseeinsel
Mobilfunk-Handlungskonzept
Immissionsoptimierte Nordseeinsel Baltrum
Am 6.3.2019 wurde dem Rat der Gemeinde Baltrum das beauftragte Gutachten des Sachverständigen für Elektromagnetische Verträglichkeit zur Umwelt (EMVU) vorgestellt, zusammen mit einer Untersuchung der derzeitigen mobilfunkbedingten Immissionslage auf der Insel sowie Erarbeitung alternativer Lösungen. Es
wurde daraufhin der Beschluss gefasst, mittels eines Handlungskonzeptes auf Bestand und Standortwahl künftig Einfluss zu nehmen. Immissionsoptimierung versteht die Gemeinde als Gütesiegel auch und gerade für den Tourismus.
Am 15. Mai wurde das Handlungskonzept wie folgt festgelegt:
Zielsetzungen
Bei dem Auf- und Ausbau der Mobilfunknetze verfolgt die Gemeinde das Ziel, insbesondere an Orten mit empfindlicher Nutzung eine möglichst geringe Belastung der Bevölkerung durch elektromagnetische Felder (EMF) bei gleichzeitiger Sicherstellung einer flächendeckend angemessenen und ausreichenden Versorgung des Gebiets für mobile Endgeräte zu gewährleisten.
Den Belangen der Baukultur, des Denkmalschutzes, des Orts- und Landschaftsbildes und Naturschutzes soll auch Rechnung getragen werden; Masten, die so hoch über natürliches Gelände und Dachlandschaft aufragen, dass sie eine für das betreffende Gemeindegebiet dominante „Fremdkörperwirkung“ entfalten und aufdringlicher „Blickfang“ sind, gilt es daher grundsätzlich ebenso zu vermeiden wie einen „Wildwuchs“ von Antennenwald“.
Mit dem vorliegenden Konzept soll daher ein Instrument für die gemeindeinterne Abwägung und das bauaufsichtliche Verfahren im Einzelfall sowie eine Verhandlungsgrundlage für den Dialog mit der Betreiberseite gefunden werden, für Standorte auf gemeindlichem Grund auch zur Kündigung unverträglich erachteten Bestands und zum Abschluss neuer Gestattungsverträge.
Der Bürgermeister ruft alle Einwohner und Grundstückseigentümer dazu auf, Akquiseversuche der Betreiber bzw. deren Beauftragten umgehend im Bauamt zu melden zwecks weiterer Prüfung und innerhalb von Gebäuden, die geschäftlichen und Freizeitzwecken dienen, in Räumen der Gastwirtschaft und Ferien-/Mietwohnungen einen WLAN-Zugang vorzuhalten.
„Orte mit empfindlicher Nutzung“ (OMEN) sind in erster Linie Kindergarten, Schule,
öffentliche Spielplätze und ähnliche Einrichtungen, in zweiter Linie auch (reine) Wohnbebauung. Die Schutzwürdigkeit richtet sich nach Festsetzungen in Bebauungsplänen, hilfsweise nach der tatsächlichen Nutzung.
Grundsatz des Strahlenschutzes u.a. des BfS ist das Gebot der Optimierung. Dieses erfordert, dass die Anzahl der exponierten Personen sowie die individuelle Dosis, die auf eine Person einwirkt, so niedrig zu halten sind, wie es vernünftigerweise
erreichbar ist (ALARA: As Low As Reasonably Achievable).
Vor allem an den OMEN soll das ALARA-Prinzip umgesetzt werden. Zur
immissionsschutzfachlichen Beurteilung der Alternativen können Prognosen erstellt und ein Vergleich mit ausländischen Vorsorgewerten oder Empfehlungen angestellt werden, deren Überschreitung zwar zulässig, eine möglichst weitgehende Unterschreitung aber anzustreben ist.
Versorgung mit Mobilfunkleistungen
Die Gemeinde achtet auf flächendeckend angemessene und ausreichende Versorgung mit Leistungen des Mobilfunks. „Flächendeckend“ wird dabei nicht als „lückenlos“ verstanden, „ausreichend“ meint die Menge (Quantität), „angemessen“ die Beschaffenheit (Qualität).
Eine Versorgung durch Standorte außerhalb des geschlossenen Siedlungsbereichs ist anzustreben. Zu versorgen soll schwerpunktmäßig der Bereich außerhalb von Gebäuden sein (unter freiem Himmel - „outdoor“). Oberstes Ziel ist die Sprachtelefonie mit stabilen Verbindungen auch in der Hochsaison; Datendienste sollen auch möglich sein, wobei es ausreicht, wenn diese Mobilfunkversorgung
grundsätzlich außerhalb von Gebäuden gegeben und es angemessen ist, dass
Antwortzeit und Geschwindigkeit je nach Entfernung und Abschattung variiert, auch weil es in den lokalen WLAN-Netzen („inhouse“) schon die besten Datenübertragungsraten gibt. Ausgenommen vom so definierten Mobilfunkversorgungsziel sind jeweils Räume unterhalb der Erdoberfläche.
Alternativenprüfung
Insbesondere vor der Errichtung eines neuen Mobilfunkstandortes wird zur Immissionsminimierung an den OMEN eine Alternativenprüfung durchgeführt, ein unabhängiger Sachverständiger wird im Bedarfsfall hinzugezogen. Dies kann in Anlehnung an das Bewertungstool "Vereinfachte Bewertung von Mobilfunkstandorten bezüglich der Einhaltung der Schweizer Grenzwerte" erfolgen. In Betracht kommt u.a.
- die Vermeidung von Sichtbeziehungen zwischen OMEN und Mobilfunksendeanlagen
- Ausnutzung des Nahbereichsschattens
- Verwirklichung der Mobilfunksendeanlagen an einem bereits bestehenden, günstigen Versorgungsstandort (Standortkonzentration, Site-Sharing), soweit dadurch nicht unerwünschte Immissionskonzentrationen hervorgerufen werden, andernfalls Beachtung bzw. Schaffung angemessenen Abstands zu bestehenden Mobilfunksendeanlagen (Entzerrung). Im Einzelfall gilt bei der Änderung bestehender Standorte entsprechend, wenn eine bauliche Umgestaltung und/oder technische Erweiterung insbesondere um einen neuen Funkdienst erfolgt und/oder ein bestehender Standort um Sendeanlagen eines anderen Betreibers erweitert wird.
Prinzipiell mögliche Alternativen sind auf tatsächliche und rechtliche Verfügbarkeit, Immissionswirkung, funktechnische Eignung und wirtschaftliche Zumutbarkeit (vor allem: Erschließung) zu prüfen. Unter mehreren geeigneten Alternativen ist diejenige zu wählen, die der Zielsetzung am besten gerecht wird.
Sofern auf einem gemeindlichen Grundstück eine Mobilfunkanlage nach den Kriterien des Handlungskonzeptes verträglich und vorzugswürdig ist, stellt es die Gemeinde grundsätzlich zur Verfügung, sofern liegenschaftliche Fragen positiv geklärt werden können. Die Gemeinde stellt hierfür grundsätzlich dem Betreiber günstige Konditionen und Laufzeiten in Aussicht.
Verfahren der Standortabstimmung
Die Gemeinde setzt sich ein für die Befolgung der „Hinweise zur Durchführung der Verordnung über elektromagnetische Felder“, die im September 2014 von der Bund/Länder- Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) beschlossen wurden.
Hat ein Mobilfunknetzbetreiber Bedarf für die Errichtung eines Mobilfunkstandorts oder dessen Änderung, teilt er dies dem gemeindlichen Bauamt mit (Standort- anfrage). Dabei benennt der Betreiber das Gebiet, in dem ihm Standorte als grundsätzlich möglich erscheinen (Suchkreis).
Der Betreiber soll zur Ermöglichung einer ergebnisoffenen Prüfung während des Abstimmungsprozesses weitere Schritte (Bauantrag, Antrag auf Standortbescheinigung, Akquise und Abschluss eines Gestattungsvertrags) unterlassen.
Um die Kommune zu hören, stellt der Betreiber dieser im Vorfeld alle Unterlagen zur Verfügung, die sie benötigt, um sachgerecht Stellung nehmen zu können und ggf. eigene Standortalternativen vorzuschlagen. Hierzu gehören auch Informationen dazu, welche Versorgungsaufgaben dieser Standort übernehmen soll, d.h. insbesondere zu den betreiberseits zur Versorgung angestrebten Gebieten, welche Funknetze dort bereitgestellt werden sollen (Sprach-/Datenversorgung) und welche Güte man sich erwartet (z.B. indoor/outdoor, Datenübertragungsraten usw.). Zu einer rechtzeitigen Möglichkeit zur Stellungnahme gehört auch schon eine frühzeitige Information der Kommune über Grobplanungen. Für gemeindliche Rückfragen
und zur Vorlage von Unterlagen werden dem Betreiber angemessene Fristen
gesetzt.
Das Bauamt kann aus seiner Sicht in Betracht kommende Standortalternativen ermitteln, vorschlagen und auch eine bestimmte Empfehlung abgeben. Es kann sich dabei um die Positionierung der Anlage und/oder ihre immissionsrelevante Konfiguration handeln.
Der Mobilfunknetzbetreiber teilt dem Bauamt binnen einer Frist von acht Wochen mit, ob er die gemeindliche Standortempfehlung umsetzt; diese Frist kann verlängert werden. Der Berücksichtigungspflicht genügt der Betreiber insbesondere dadurch, dass er nach Absatz 5 unterbreitete Standortvorschläge der Kommune überprüft und bei Eignung bevorzugt verwirklicht. Im Falle der Ablehnung hat der Betreiber eine nachprüfbare Absagedokumentation vorzulegen, zu der sich die Gemeinde dann noch äußern können soll, bevor weitere Maßnahmen ergriffen werden, den betreffenden Standort zu realisieren.
Die Verwaltung wird ermächtigt, zur Umsetzung der Ziele des Handlungskonzepts situativ und gebietsbezogen einen „Runden Tisch“ einzurichten, an dem Gemeindeverwaltung (Bauamt), deren gutachterliche und ggf. auch rechtliche Beistand, Mobilfunkbetreiber, sachkundige Einwohner der Gemeinde und Standortbetroffene beratend hinzugezogen werden.
Das Bauamt informiert die Öffentlichkeit zeitnah und in verständlicher Form über die erzielten Ergebnisse. Die Vorgaben des Datenschutzrechts sind zu beachten.
Autor: Sabine Hinrichs
Foto: Archiv s-press!
Quelle: Gemeinde Baltrum
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